Du, oder Sie, das ist hier die Frage
Sie, oder Du, ist das hier die Frage?
Du, oder Sie, wem soll ich es Recht machen?
Seit einiger Zeit schreibe ich nicht nur hier den Lebensraum-Blog,
sondern auch eine kleine Kolumne in unserer Stadtzeitung, dem „Tübingen im Fokus“.
Ein lieber Mensch hat mir, die gut gemeinte Rückmeldung gegeben, er würde sich beim Lesen meiner Texte, durch die so persönliche Anrede mit Du, nicht angesprochen fühlen, wenn er mich nicht eh kennen würde. Für ihn wäre es grundsätzlich komisch, beim lesen in einer Zeitung mit Du angesprochen zu werden, von jemandem, den er gar nicht kennt.
Mir geht es da gerade umgekehrt. Für mich ist es angenehm, in einem Text, den ich lese, und der mein Inneres berühren möchte, auch persönlich angesprochen zu werden.
Aber natürlich hat diese gut gemeinte Kritik ein paar Gedanken in mir ausgelöst und so habe ich, eine natürlich deutlich kürzere Fassung dessen, was Du gerade liest, als nächsten Beitrag für den Fokus geschrieben. Vielen Dank, lieber Bruder, für Deine Inspiration!
Als Blogleser ist das sicher auch anders, denn in Blogs ist es eher üblich über ein persönliches Du zu kommunizieren. Eine Zeitung wird hingegen auch von ganz anderen Leuten gelesen, für die das tatsächlich eher ungewohnt und damit befremdlich sein kann.
Ich bin mir sicher, habe ich also geschrieben, Du gehörst zu denen, die das auch gerne mögen, oder aber zu jenen, die diese Ansprache als zu distanzlos empfinden.
Wem soll ich es also Recht machen?
Es Recht machen wollen?
Kennst Du das, es möglichst jedem Recht machen zu wollen?
Ganz ehrlich, hat das jemals für Dich funktioniert?
Hier haben wir es wieder,
das hundsgemeine Phänomen:
Es gibt so unendlich viele andere!
Es Recht machen wollen kostet unglaublich viel Kraft
Ich weiß wovon ich spreche, wenn ich sage, dass das unglaublich anstrengend, und gar nicht effektiv ist. Mit bewussten, und großteils unbewussten Versuchen, es allen Recht machen zu wollen, habe ich mich so entkräftet, dass ich schließlich zusammen gebrochen bin.
Halleluja, wie genial ist das denn?
Heute bin ich dankbar, dass mein Körper und Geist sich dadurch für eine Weile abgeschalten haben, um mir Zeit zu schenken, nach Veränderung zu fragen.
Hoppla, eigentlich wollte ich ja über das Du-Sie-Phänomen schreiben, jetzt schweife ich da ordentlich ab.
Ha, ha, ich bin halt so ein gaaaanz kleines bisschen chaotisch.
Ja, auch das ist so was, was man ja genau genommen gar nicht sein darf in dieser Welt. Es soll ja alles schön geordnet zugehen.
Mit dem Versuch, dem gerecht zu werden, habe ich mich regelrecht erstickt. Heute bin ich glücklich, selbstbekennend chaotisch. Seit ich das für mich zulasse, kann sogar auch ich effektiv arbeiten.
Wieviel Zeit, Energie und persönliches Lebensglück verschwendest Du, um es anderen Recht zu machen, anstatt einfach zu sein, wer und wie Du bist? Wie effektiv funktioniert das für Dich? Nutzt es Dir? Oder geht es Dir schlecht? Wo bist Du bei der ganzen Sache? Wenn es ganz einfach wäre, mehr von Dir zu sein, was würdest Du wählen?
Gehen wir doch einfach nochmal zurück zum Du-Sie-Phänomen. Was habe ich Kraft, Hirnschmalz und Lebensfreude vergeudet, wenn ich mir bei manchen Menschen einfach nicht sicher war, ob jetzt ein Du, oder ein Sie eher angebracht wäre.
Kennst Du das? Hast Du auch manchmal das Gefühl, wenn Du zum Beispiel jemanden, den Du erst gesiezt hast, näher kennen lernst, dass das auf einmal nicht mehr für Dich passt.
Und was dann – wie kannst Du es Recht machen?
Wie gehst Du damit um? Betreibst Du auch so eine atemberaubende Hirnakrobatik, wie ich das früher gemacht habe? Bremst Du Dich selbst total aus, indem Du es einfach ganz vermeidest, ein Du, oder Sie sagen zu müssen. Verrenkst Du Dir dabei fast Dein Gehirn, um in Deiner Vermeidungsstrategie seltsame Sätze in der dritten Form zu formulieren, die Dir dann hinterher selbst völlig bekloppt vorkommen?
Es Recht machen – kommt es darauf überhaupt an?
Und warum das alles? Weil Du keinen Fehler machen willst? Weil Du es der anderen Person Recht machen möchtest, aber auch Dein eigenes Gefühl dazu nicht überwinden kannst? Spürst Du, wie unendlich schwer sich das anfühlt?
Wie wäre es denn, einfach zu fragen, wie es für den anderen ist? Könnte das womöglich doch einfacher sein? Oder würde die Welt über Dir einstürzen? Was, wenn es hier gar kein richtig und falsch geben würde? Was, wenn Du Dir nur einfach erlauben würdest, Du selbst zu sein, so wie Du bist und so, wie Du empfindest.
Ganz am Rande; wusstest Du, dass Sympathie fast immer auf Gegenseitigkeit beruht?
Was glaubst Du, könnte passieren, wenn Du Deinem Gegenüber sagst, dass er, oder sie Dir so sympathisch ist, dass Du ein Du inzwischen für passender empfinden würdest? Und selbst, wenn Du dann einen Korb bekommst, wäre das nicht unglaublich viel leichter, als dieses ganze Gehirnverknotungsmanagement?
Wieviel mehr Energie hättest Du wieder für sinnvollere Aktivitäten frei?
Könnte Dein Leben nicht unglaublich viel leichter sein, wenn Du in solchen Fragen einfach Du selbst sein, und Deinem Gefühl vertrauen würdest?
Kannst Du es selbstbestimmt jemandem Recht machen?
Handelst Du wirklich selbstbestimmt, wenn Du Dich damit so sehr quälst? Und sei Dir bewusst, nicht selbstbestimmt, bedeutet immer fremdbestimmt!
Wie wäre es für Dich, wenn all die sonderbaren Ängste und Befürchtungen, die Dich zu so einem seltsamen Verhalten drängen, sich einfach auflösen könnten? Wäre das nicht eine unglaubliche Erleichterung für Dein Leben? Ja, wie wäre es, wenn Du erkennen könntest, dass diese besorgten Gedanken gar nicht real für Dich sind?
Könntest Du dann ganz souverän, selbstbewusst und selbstbestimmt mit solchen Situationen umgehen? Um wieviel leichter fühlt sich das für Dich an?